27. SONNTAG im Jahreskreis

 

„Stärke unseren Glauben!“ Was heißt aber: An Gott „glauben“?

- „Ich glaube, das Wetter wird morgen schön sein“ (Vermutung)

- „Ich glaube, dass die Erde sich um die Sonne dreht“ (Meinung, gestützt auf Wissenschaft)

- „Ich glaube dir“ (Ich schenke dir mein Vertrauen – in dieser Sache)

- „Ich glaube an dich“ (Du hast grundsätzlich, uneingeschränkt mein Vertrauen)

So ein Vertrauen ist nicht auf einmal da. Ich gewinne Vertrauen zu einem Menschen, indem ich ihn kennen lerne, mit ihm umgehe, mit ihm Erfahrungen mache. So kann Vertrauen wachsen und entsteht eine Vertrauensbeziehung. „An Gott glauben“, heißt also: In einer Vertrauensbeziehung zu ihm leben.

An Gott glauben ist also viel mehr als sagen: „Ich glaube, dass es einen Gott gibt“, oder eine Reihe von Glaubenssätzen, Vorschriften, Dogmen, Geboten und Verboten für wahr halten. In der lateinischen Sprache heißt glauben: „credere“ = „cor dare“ = mein Herz schenken. Es ist also eine tiefe „Herzensangelegenheit“. Aber auch mehr als ein inneres Gefühl. Es ist nicht ein blindes Vertrauen. Auch meine Vernunft spielt da mit. Ich muss das, was ich glaube, kritisch hinterfragen und begründen. Es soll ein vernünftiger Glaube, ein vernünftiges Vertrauen sein. Ich muss es auch meiner Vernunft gegenüber verantworten können, dass ich an Gott glaube.

Darüber hinaus: Ich glaube nicht an irgendeinen Gott, sondern an den Gott, den ich kennengelernt habe, von dem ich erfahren habe, durch Jesus Christus, der gesagt hat: „Gott ist für uns, wie ein liebender Vater.“ Zu einem, der nur Gutes für mich will, nur auf mein Wohl bedacht ist, kann ich Vertrauen haben. Diesem Gott kann ich nur dankbar sein. Ich habe Vertrauen zu ihm, weil er es gut mit mir meint, mich annimmt, mich liebt. Meine Gegenliebe zu ihm ist tiefste Dankbarkeit und Vertrauen.

Nun sagt Jesus: Wenn ich wirklich so ein Vertrauen zu Gott habe, dann bin ich zu mehr fähig, als ich selbst annehme. Dann kann ich über meinen eigenen Schatten springen. Dinge, die ich normal für unmöglich halte, trotzdem tun. Dieses Vertrauen zu Gott kann ungeahnte Kräfte in mir freisetzen. Dann kann ich sogar mit gutem Willen auf einen Menschen zugehen, der mir unsympathisch ist, ja dann werde ich auch fähig, einen Feind zu lieben. Wenn dieser Glaube, dieses Vertrauen, mich erfüllt, dann fühle ich mich bei Gott geborgen. Dann bin ich bereit, in seinem Sinne zu handeln, zu leben - ohne nach Lohn und Anerkennung zu fragen: Ich stehe in deinem Dienein wie ein Senfkorn ist, sagt Jesus, „dann kannst du sogar einen Maulbeerbaum verpflanzst und das ist für mich selbstverständlich.

„Wenn dein Vertrauen zu Gott auch nur so klen.“ (Dieser Baum war bekannt wegen seiner sehr starken, tief in die Erde reichenden Wurzeln, so dass man ihn praktisch nicht verpflanzen konnte.) Wenn dein Vertrauen zu Gott also echt ist, dann wirst du fähig, scheinbar Unmögliches zu tun. Gott wirkt dann mit seiner Geisteskraft in dir.

Natürlich wird dieses Vertrauen zu Gott immer wieder im Leben jedes Menschen ins Wanken gebracht, „angefochten“: bei Leiderfahrung, in Krankheit, beim Tod nahe stehender Menschen oder in Situationen, in denen es einem den Boden unter den Füßen wegzuziehen scheint. Da wir nur schwache Menschen sind, gehört der Zweifel zu unserem Glauben. Deswegen müssen wir unsere Beziehung zu Gott pflegen, sie soll wachsen, stärker werden, z.B. durch Gebet und Gottesdienst.

Das ist u.a. auch der Sinn unserer wöchentlichen Gottesdienste: Dadurch pflegen wir unsere Beziehung zu Gott, damit sie nicht schwach wird und verwässert. Wir müssen, so wie die Freunde von Jesus damals, immer wieder wiederholen: „Stärke unseren Glauben!“ und dafür auch etwas tun.

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